Freitag, 14. Januar 2011

The American Way of Drive

Bevor die jeweiligen Etappenberichte unseres Road-Trips folgen, hier noch ein paar Sätze zum Autofahren in den USA allgemein:

Grundsätzlich lässt sich nach nun 6 Wochen die Theorie aufstellen, dass das Talent, Auto zu fahren, beim Durchschnitts-Amerikaner eher gering ausgeprägt ist. Viele Indizien festigen dieses Vorurteil.

Als ich vor einigen Wochen durch die Berge Oregons gecruist bin, standen plötzlich auf einer Länge von einer Meile immer wieder Tafeln am Straßenrand, die vor Serpentienen gewarnt haben. Erlaubt waren zu diesem Zeitpunkt 65mph (~100km/h) und ich hab eigentlich damit gerechnet, das man das Tempolimit nun allmählich auf Schrittgeschwindigkeit reduziert. Aber nichts geschah. Stattdessen wurden die Serpentin-Warnschilder bloß immer großer. Was dann kam war ein Witz. Die Kurven waren so ausgelegt, dass man sie locker weiterhin mit 65mph fahren konnte. Wahrscheinlich dienten die Schilder bloß dazu, den Fahrer darüber zu informieren, dass er nun ein bisschen Cola aus dem Becher abtrinken muss, damit nichts überschwappt. Querbeschleunigung ist böse! Das bekomme ich auch jedesmal zu spüren, wenn vor mir jemand rechts abbiegt. Dann wird zuvor soweit heruntergebremst, als wäre die Straße schneebedeckt und als ob die Gefahr bestünde ungewollt aus der Kurve zu rutschen.

Die Landstraßen an sich sind schön: breit, nette Aussicht, manchmal sogar hügelig und kurvig. Mit dem richtigen Auto könnte das Spaß machen. Neulich bin ich solch eine Straße gefahren. Alles frei, kein Mensch weit und breit, Kurve links, Kurve rechts, Biegung links, dann eine Gerade... man kann 2 Meilen geradeaus blicken, immer noch keine Menschenseele in Sicht, im Radio singt Freddie Mercury Don't stop me now!, aber: Tempolimit 55mph! Manno. Daher schnell den Sender gewechselt, bevor der Fuß aus Versehen zu schwer wird. Nun singt Katie Melua darüber, dass 9 Millionen Chinesen in Peking lieber radfahren. Puuh, Situation entschärft.
Überhaupt, Katie Melua passt hervorragend zum amerikanischen Fahrstil: seicht, einschläfernd und nebenbei-kompatibel. Ich habe sowieso den Eindruck gewonnen, dass viele Amerikaner nebenbei Autofahren und parallel einer anderen wichtigeren Hauptaufgabe nachgehen. Anders kann ich mir die zwei Unfälle nicht erklären, die ich in meiner Zeit hier in Portland schon gesehen hab. Beim ersten fuhren zwei Autos in Schrittgeschwindigkeit auf einem Parkplatz ineinander. Einfach so, ohne Nebelwand, Glatteis oder plotzlich einsetzender Sonnenfinsternis. Der zweite Unfall passierte auf dem Highway bei zähfließendem Verkehr mit ca. 30 km/h. Zwei Autos wollten gegeseitig die Fahrspur wechseln. Der rechte nach links, und der linke nach rechts. Na, und was ist wohl passiert? Sie haben sich gerammt. Einfach so. Ich dachte echt, ich seh nicht recht...

Und neulich auf dem Weg zum Pazifik habe ich das hier gesehen:


Ein Caravan mit Kleinwagen im Schlepptau. Sogar die Beleuchtung des Kleinwagens funktionierte wie bei einem herkömmlichen Anhänger.
Des Weitern konnte ich schon mehrfach beobachten, dass herrenlose Autos auf Parkplätzen mit laufendem Motor herumstehen. Die Winter in Portland sind kalt und es ist bestimmt toll, wenn man sich nach einem mehrstündigen Einkaufsbummel in sein mollig warmes SUV kuscheln kann... 
Volltanken kostet ja auch bei einem solchen Auto bloß 50 Euro. Ich zahl bei meinem Nissan Versa 30 Euro.

Auch sonst ist das Autofahren hier sehr... anders. Und mein Fahrstil passt nicht ganz hier her. Die Menschen sind gewohnt, dass auf Parkplätzen nicht schneller als Rentnerschrittgeschwindigkeit gefahren wird und springen entsetzt zur Seite, wenn ich mit meinem Nissan Versa in in halsbrecherischen 15 km/h angerast komme.


Und auch nach Wochen in den USA zucke ich erschrocken zusemmen, wenn ich selbst oder jemand anderes in meiner Nähe ein Auto über die Funkfernbedienung verriegeln. WHUAP macht's in Amerika ständig und überall. WHUAP, das ist das Quittierungsgeräusch der Zentralverriegelung, mit dem der Fahrerer akustisch über ein kurzes Hupen darüber informiert wird, dass sein Auto abgeschlossen ist. Wieso eigentlich bleiben wir in Europa glücklicherweise von WHUAP verschont? Haben wir bessere Augen oder wieso genügt uns ein kurzes Blinken? Ich habe noch keine Erklärung gefunden.

Auf Highways darf man hier maximal 75mph fahren. Das entspricht ca. 120 km/h, meistens sind aber nur 65mph erlaubt. Allerdings sollte man die amerikanischen Autos auch definitiv nicht schneller als 75mph bewegen, weil das Fahrverhalten oberhalb von 70mph derart schwammig wird, dass man hat ständig das Gefühl hat, irgendwelchen Windböen ausgesetzt zu sein und korrigiert permanent die Richtigung nach. Ich freue mich schon sehr auf deutsche Autobahnen und deutsche Autos. Nichtsdestoweniger bin ich total glücklich darüber, dass ich überhaupt ein Auto zur Verfügung gestellt bekommen habe (1000 Dank an die Verantwortlichen in der Heimat) und weiß es zu schätzen, dass ich so die beste Möglichkeit bekommen habe, dieses große Land zu erkunden. Denn es ist schon ein Unterschied, ob man nun von Punkt A nach B fliegt oder die Strecke dazwischen mit dem Auto zurücklegt und sich außerhalb der Metropolen bewegt. 
Mein Navi habe ich mittlerweile auch richtig lieb gewonnen. Habe auf die Frauenstimme gewechselt. Im Gegensatz zum Mann, gibt sie sich nämlich Mühe, die Straßennamen englisch auszusprechen... klappt bloß nicht immer:
Biegen Sie rechts ab in Richtung Pohdlähnd auf Ssaut-Iihst Waschinktn Skwer Äwenuh
Auf diese Weise macht das Autofahren wenigstens ein bisschen Spaß.

WHUAP! WHUAP!