Sonntag, 20. Februar 2011

Seattle

Heute morgen habe ich mich gegen 5:30 auf den Weg nach Seattle gemacht. Die Stadt wollte ich unbedingt noch sehen während meines USA-Aufenthalts. Da an den letzten Wochenden leider immer schlechtes Wetter war, habe ich die Seattle Tour immer weiter nach hinten schieben müssen. Dieses Wochenende war daher die ultmativ letzte Gelegenheit die Stadt zu besuchen. Ich bin also ganz früh aufgestanden, weil Seattle nur 3 Stunden von Portand entfernt liegt und ich mir auf diese Weise die Übernachtung sparen wollte. Bei relativ viel Verkehr ging es dann die Interstate 5 nach Norden. Es war sternenklare Nacht, so dass ich wirklich hoffen durfte, schönes Wetter zu erleben. Plötzlich geschah etwas seltsames: Ich war mit den erlaubten 70 mph unterwegs. Der ca. 15 Jahre alte Toyota Landcruiser (Geländewagen), der sich ungefähr 150 m vor mir auf derselben Fahrspur (ganz links) befand, driftete nach links weg. Ich merkte, dass das nicht richtig war, was da gerade geschah. Eine ähnliche Situation hatte ich vor 5 Jahren schon mal erlebt, als der Fahrer eines Golfs auf der linken Spur eingeschlafen war und ich mich ein paar Autolängen dahinter befand. In meinem Kopf war diese Situation also schon als "bekannt" abgelegt und daher blieb ich sehr ruhig - vielleicht lag's aber auch daran. dass es erst 6:20 war und ich noch gar nicht wach genug war, um zu erschrecken.
Einen Moment später tuschierte der Toyota dann die Mittelleitplanke und drehte sich in Zeitlupe gegen die Fahrtrichtung. Die Erfahrung aus dem vergangenen Erlebnis hat gezeigt, dass es nun empfehlenswert ist zu BREMSEN!!!
Aber die Erfahrung war plötzlich nichts mehr wert, denn statt wie üblig beim Tritt auf das Bremspedal zu verlangsamen, fing mein Nissan an sich querzustellen. Nun machte es Klick in meinem Kopf: der Fahrer des Toyotas war gar nicht eingeschlafen... es ist glatt!!! Ich hab sofort die Bremse losgelassen und gegengelenkt, um das Auto wieder in Geradeausrichtung zu bekommen. So hab ich's beim Fahrsicherheitstraininggs gelernt. Und da in der augenblicklichen Situation alles viel langsamer ablief als beim Sicherheitstraining (da wird beim Überfahren einer Schleuderplatte ruckartig das Heck zu Ausbrechen gebracht), funktionierte das Manöver überraschend gut. Als ich das Auto wieder unter Kontrolle hatte, befand ich mich zwar halb auf der mittleren Fahrbahn, aber das Auto, was kurz zuvor noch rechts neben mir war, hat glücklicherweise schon gebremst und befand sich ein paar Meter weiter hinten. Öffensichtlich war nur die linke Fahrspur glatt. Unglücklicherweise bremste nun aber ein anderes Fahrzeug vor mir auf der Mittelspur, weil der Toyota von links nach rechts über alle Fahrspuren taumelte. Mein Auto war noch zwischen linker und mittlerer Spur, so dass ich nun dem bremsenden Mittelspurler ausweichen musste. Aber wie? Bremsen hatte sich Sekunden vorher schon als falsch herausgestellt. Also einfach auf die linke Spur ausweichen? Aber da ist es glatt und wo ist überhaupt der Toyota? Jetzt kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass ich nicht immer Glück haben kann, und dass es vielleicht gleich wehtut. Mir blieb nichts anderes übrig als wieder auf die glatte Fahrbahn zu wechseln mit dem Wissen, dass ich nicht bremsen kann, falls der Toyota wieder auf die linke Spur schleudert. Also Augen zu und durch.
Der Toyota rammte mich nicht. Ich sah ihn das nächste mal im Rückspiegel, wie er auf den Standstreifen mit einigen anderen Autos ausrollte. Nun fing mein Herz an rasen. Ich lenkte das Auto sanft von der linken Fahrbahn nach rechts und verlangsamte erst mal um mich zu sammeln. Schwein gehabt.
Alles in allem glaube ich, das mir in der Situation einfach zugute kam, dass ich noch zu müde war für hektische Reaktionen und stattdessen langsam und ruhig reagiert habe. Jetzt war ich aber wach. Der Rest der Strecke verlief ohne besondere Vorkommnisse und Toyota wird wahrscheinlich bald verklagt, wegen nicht funktinionierender Bremsen.
Als Belohnung für die überstandene Gefahr, durfte ich mir einen Sonnenaufgang neben dem Mount Rainier ansehen.
2 Stunden später erreichte ich Seattle. Die Strecke führte vorbei am Boeing Flughafen, wo lauter Flugzeuge im Boeing-Bemalung herumstanden. Darunter auch die neue 787 und zwei neue Jumbos.


Direkt nach dem Flughafen verlieft der Highway über eine kleine Anhöhe. Oben angekommen bot sich ein traumhafter Blick auf die Skyline von Seattle und den riesigen Güterhafen. Weit im Hintergrund konnte man schneebedeckte Berge sehen. Alles zusammen war mal wieder total anders als alles zuvor Gesehene. Auf den ersten Blick steckt sehr viel von San Francisco in Seattle: die Stadt ist auf zahlreichen Hügeln erbaut, liegt an einer Meeresbucht, besitzt zahlreiche Häfen... Landschaftlich ist Seattle aber San Francisco weit überlegen. Die Berge im Hintergrund erzeugen einfach eine beeindruckende Atmosphäre.
Mein erstes Ziel hatte ich über Google Maps ausgewählt: eine Langzunge gegenüber der Innenstadt. von dort aus erhoffte ich mir, schöne Fotos von der Skyline mit der Space Needle knipsen zu können.



Als nächstes ging es dann direkt zur Weltraum-Nadel, dem Wahrzeichen Seattles. Der Turm wurde bereits 1962 zur Weltausstellung eröffnet und ist 184 m hoch. Die Idee zum Restaurant auf dem Turm hatte der Bauher übrigens nach einem Besuch des Stuttgarter Fernsehturms - nur mal so als Randnotiz.


Von der Besucherplattform ließ sich ein phänomenaler Rundumblick über Seattle, auf die Seen & Berge und das Science Fiction Museum genießen





Am Fuße der Space Needle befindet sich eine Endstation der Monorail, die ebenfalls zur Weltausstellung errichtet wurde und Innenstadt mit Ausstellungsgelände verbindet. Da ich sowieso in die Innenstadt wollte, ging es also mit der Monorail weiter.


Erste Anlaufstelle war der Public Market am Pikes Place. Hier werden u.a. Fische, Blumen und allerlei Handwerkskunst verkauft. Zwischendurch kann man dem ein oder anderen Straßenkünster bei der Arbeit zusehen. Am Pikes Place befindet sich übrigens auch der erste Starbucks. Die Schlage war mir aber zu lang, und anders als überall sonst auf der Welt, hätte der Kaffee dort auch nicht geschmeckt.


Unmittelbar neben dem Pikes Market auf einer Wiese mit Ausblick aufs Wasser haben sich zahlreiche Hippies (die ich eher in San Francisco erwartet hätte) aufgehalten und die Umgebung über Mega-Lautsprecher mit richtig lauter und schöner Musik beschallt. Ich habe mich für 10 min auf eine Mauer gesetzt, die warme Sonne genossen und dem indianischen Lied "Nihaa Shiil Hozho (I Am Happy About You)" von Xit (s. Youtube) gelauscht - war wirklich schön und nun bin ich natürlich auf der Suche nach der CD ;-)
Nach dieser kleinen Pause ging es dann auf dem Fussweg einmal durch die komplette Innenstadt, die übrigens am Hang gebaut ist (eine weitere Gemeinsamkeit zu San Francisco). Ich hab am Pier 54 das beste Fish & Chips Amerikas gegessen und musste es gegen hunderte Möven verteidigen, die offensichtlich gleicher Meinung waren. Als sich dann am Nachmittag meine plattgelaufenen Fuße bemerkbar machten und zufälligerweise in dem Moment die Monorail zurück zur Space Needle in Sichtweite war, entschloss ich mich den Rückweg anzutreten. Mit dem Schock vom Morgen in den Knochen, wollte ich ungerne den Rückweg komplett in Dunkelheit fahren. Außerdem hoffte ich darauf, ein Foto vom Mount Rainier machen zu können.


Fazit des Tages:
Wer bremst, verliert!
        und
Seattle ist mein persönliches Highlight der Westküste.

Nun aber freue ich mich auf zuhause :-)